Jedes Geräusch ist mir zu laut. Als könnte ich jede Schallwelle einzeln wahrnehmen, als suchte sie sich den Weg durch mein Ohr in meinen Kopf und von dort dröhnend in meinen ganzen Körper. So fühlt es sich an. Jedes Geräusch durchdringt mich. Auch Sprache fühlt sich manchmal so an. Dann vibrieren die Worte in mir und sind mir dadurch viel zu nah.
In solchen Momenten oder Phasen ist es für mich schwierig, mich im alltäglichen Leben zurecht zu finden. Die Anspannung dominiert die Tage und alle Geräusche und Worte erhöhen sie mehr und mehr. Komme ich meiner Sehnsucht nach Stille nach und ziehe mich allein an einen ruhigen Ort zurück, tritt die erhoffte Reduktion der Anspannung doch nicht ein. Plötzlich ist dann auch die Stille so laut. Mein Kopf fühlt sich leer an, hohl und die Stille dröhnt darin.
Ich versuche, mich abzulenken, zu lesen, fern zu sehen, zu denken. Doch mein Kopf scheint von der Stille vereinnahmt zu sein. Mir fehlen die Ideen, ich weiß nicht, wie ich Lärm und Stille, Leere und gedanklicher Überfüllung begegnen soll. Zwangsläufig gerate ich zwischen diesen Gegensätzen in ein Spannungsfeld.

Mit steigender Anspannung kann ich diese nicht mehr verbergen. Meine Fassade bröckelt, vor allem vor meinen Vertrauten. Voller Unzufriedenheit darüber und dem Gefühl der Unzulänglichkeit werde ich ungerecht ihnen gegenüber und gerate so in einen Teufelskreis.
Bislang kenne ich keinen sicheren Ausweg. Meinen vertrauten Heimathafen um mich zu wissen, hilft mir jedenfalls. Regelmäßigkeit, geduldige ruhige Vertraute, wenig Worte, aber ohne bedrohliche Stille. Schriftliche Kommunikation ermöglicht mir, Lesen und Antworten langsam zu gestalten und verhindert zumeist aggressive, vorschnelle Antworten. So entgehe ich den sonst unmittelbar folgenden Schuldgefühlen, die den kreisenden Teufel in mir noch anfeuern und seinen Tanz schier unaushaltbar werden lassen.
Neben dem schriftlichen Kontakt zu Freunden und Familie, der mir das Gefühl der Einsamkeit nimmt, verankert mich körperliche Nähe in meinem Heimathafen. Im direkten und übertragenen Sinne an die Hand oder in den Arm genommen zu werden, fühlt sich häufig gut und sicher an. So reduzieren sich Angst und Anspannung, setzt aber auch Sicherheit und Ruhe bei meinem Gegenüber voraus.
Wann immer ich die Unterstützung anderer benötige und annehme, hilft diese, führt aber auch zu Selbstzweifeln und dem Gefühl, dem Anderen etwas schuldig zu sein. Auch hier wird ein anstrengender Kreislauf angekurbelt. Die Selbstzweifel erzeugen den Gedanken, die Unterstützung nicht zu verdienen, wodurch wiederum die Schuldgefühle verstärkt werden. Nach einigen gedanklichen Durchläufen kommen ergänzend die Gefühle von Sinnlosigkeit und Gleichgültigkeit hinzu, bevor Wut und irgendwann Verzweiflung das Zepter übernehmen.
Um all dem vorzubeugen, übe ich mich in rechtzeitigen Auszeiten und etabliere feste Taue und – für den Fall von Frau über Bord – Rettungsringe in meinem Hafengebiet. Ich mache meine Umgebung für mich sicherer. Zusammen mit allen helfenden Händen. Und ich übe mich in Akzeptanz meiner Erkrankung, der damit verbundenen Gefahr, aus dem Heimathafen abgetrieben zu werden, und der Tatsache, dann Unterstützung bei der Rückkehr zu benötigen. Ich übe mich darin, die Perspektive dahingehend zu wechseln, die Erkrankung als Übeltäter solcher Phasen zu sehen. Nicht mich selbst.