Von gelichteten Ankern

Wenn jemand mich fragt, wie es mir geht, sage ich „gut“. Doch ich bin nicht sicher, ob es stimmt. Wenn jemand mich fragt, wie ich mich fühle, antworte ich „weiß ich nicht“. Denn ich fühle nichts.

Dass man während einer depressiven Phase traurig ist, trifft häufig gar nicht zu. Ich fühle in depressiven Episoden nichts, habe das Gefühl, gefühllos zu sein. So leer in Herz und Kopf verliere ich jede Verbindung ins Hier und Jetzt, meine emotionalen Anker werden von der Geisterhand der Depression gelichtet, und ich werde aus meinem Heimathafen getrieben. Ich verliere mich.

Es resultiert ein schwer greifbarer Zustand der Ohnmacht. Eine seelische Bewusstlosigkeit, eben weil ich mir meiner selbst nicht mehr bewusst bin. In solchen Phasen erstarren Körper und Seele gleichermaßen und jede Bewegung fällt mir schwer. Die Schwermut ergreift von mir Besitz. Kann sie zumeist die innere Unruhe dominieren und mich bewegungslos in meiner inneren Achterbahn verharren lassen, nimmt dann und wann doch das Chaos überhand. Es treibt mich an, lässt mich rastlos laufen.

Um den Kontakt zu mir und meinen Emotionen, meinem Erleben wieder herzustellen, muss ich die Leere durchdringen, Schwere und Unruhe überwinden. Mit meiner Psychotherapeutin räume ich das Chaos auf. Meine Vertrauten begegnen mir zudem unnachgiebig so hoch emotional, dass ich an ihrem Modell wieder lernen kann, mitzuschwingen. Auf ihren Gefühlswellen zu reiten. Bis ich wieder alleine Schwung holen kann, wieder selbst fest im Sattel sitze und wieder in Bewegung bleiben kann.

So schaukeln wir das Schiff – mein Schiff – zurück in meinen Heimathafen. Zurück zu mir.

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