Ich habe die Perspektive gewechselt. Vor Monaten schon und ich finde den Rückweg nicht mehr. Nun stehe ich neben mir, beobachte mich von außen und sehe mir im Alltag zu, als spielte ich in einem Film mit.
Mir fehlt der Zugang zu meinem Inneren, sodass ich meine Gefühle nur kognitiv erahnen, mir erschließen, sie den jeweiligen Situationen, dem Kontext zuordnen kann. Es erfordert eine ganz andere Form der Aufmerksamkeit, um so durch das gesellschaftliche Leben zu gehen. Wenn ich mich nicht auf meine Intuition verlassen kann, muss ich wach und konzentriert beobachten, um selbst adäquat reagieren und teilnehmen zu können.
So kostet es mich viel Kraft, mich mit Menschen zu umgeben und ihnen nahe zu sein. Je mehr Menschen dabei gleichzeitig zu beachten sind, desto schwieriger wird es, in der Situation zu bestehen. Während mich diese Abspaltung von den Emotionen vor negativen Gefühlen zu schützen vermag, versperrt sie zugleich auch den Weg zu positivem Fühlen. Das ist ein hoher Preis. Selten, in Momenten größter Freude und höchsten Glücks, kann ich auf den Wellen der anderen reiten, mich von ihnen tragen lassen. Doch erreichen die Gefühle mein Herz nicht. Auch in der Erinnerung fehlen die emotionalen Anker, die Erlebnisse sonst unvergesslich machen.
Und so beginnt der Kampf um den Rückgewinn der Gefühle. Ich muss die Fährte aufnehmen, achtsam alle Hinweise und Spuren auswerten, um den Pfad zurück zu meinem inneren Erleben zu finden. Es erfordert Mut, die Angst vor einer potentiell drohenden Gefühlslawine, einer emotionalen Sturmflut, zu überwinden und die Machete zu schärfen, mit der ich mir den Weg durch Zweifel, Anspannung und innere Abwehr bahne.
Auf diesem Weg bin ich auf geduldige Unterstützung angewiesen. Meine Vertrauten nehmen mich an die Hand, sprechen mir Mut zu, fangen mich auf. Sie lassen mich an ihren Emotionen teilhaben. Auf unserem langen gemeinsamen Weg treiben mich meine Vertrauten an. Doch es ist ein langer Weg bis zu dem magischen Moment, in dem die ersten sanften Ausläufer einer Gefühlswelle mein Herz erreichen.
An vielen Tagen treibt mich meine innere Unruhe an. Sie ist Ausdruck meines oft verzweifelten inneren Im-Kreis-Laufens. Sie treibt mich, ohne mich voran zu bringen. Es sind gerade diese Tage, an denen ich mich ungenügend fühle, selbst die Bremse im System bin. Dann müssen meine Freunde für mich und gegen mich strampeln.
Dieser steinige Weg verlangt allen alles ab. Doch immer wieder erlebe ich dann wieder Momente, in denen die Hoffnung überwiegt und ich weiß, dass ich diese dunkle Zeit überwinden und wieder auf die farbenfrohe, warme Seite des Erlebens gelangen kann und werde.
Die Hoffnung. Sie ist der stärkste Antrieb und das erste Gefühl, das zurückgewonnen werden muss. Sie ist die Brücke, die an der Hand meiner geliebten Freunde und mit ihrem und meinem Mut und trotz ihrer und meiner Ängste betreten werden muss.
Sie ist der Weg zu einer neuen Perspektive. Zurück zur gesunden Perspektive.